Astrid Mattes in Toronto

15.07.2016

In ihrer Dissertation „Integrating Religion: The role of religion in Austrian, German and Swiss immigrant integration policies“ fragt die Politikwissenschafterin danach, wie und warum Religion zum Thema von Integrationspolitiken wird.

  • Warum haben Sie sich für einen Auslandsaufenthalt in Toronto entschlossen? Inwiefern war dieser für Ihre Forschung wichtig?

Für mich war klar, dass ich die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes dafür nutzen möchte, um über den europäischen akademischen Tellerrand hinauszuschauen. In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit Deutschland, Österreich und der Schweiz, also Ländern, die mir nicht zuletzt sprachlich sehr vertraut sind. Die beiden zentralen Themen meiner Arbeit, religiöse Diversität und Integrationspolitik finden sich aber keineswegs nur in der deutschsprachigen Sozialforschung. Aus der Literatur kannte ich die Ansätze mehrerer kanadischer ForscherInnen, die sich sowohl mit europäischer als auch kanadischer Migrations- und Integrationspolitik beschäftigen. Insbesondere in den Texten von Anna Korteweg habe ich hilfreiche Zugänge für meine Dissertation gefunden. Daher habe ich sie kontaktiert und konnte einen Gastaufenthalt arrangieren. Ich habe dadurch immens profitiert und konnte aus zahlreichen Gesprächen viel Feedback für meine Dissertation mitnehmen. Insbesondere methodische Anmerkungen zu meiner empirischen Forschung haben mir geholfen. Auch für die konkrete Arbeit an einem Beitrag meiner kumulativen Dissertation konnte aus der Arbeit mit Anna Korteweg und den KollegInnen am „Department for Sociology“ der „U of T“ viel mitnehmen.

  • Was ist Ihnen von Ihrer Zeit in Toronto besonders in Erinnerung geblieben? Was war besonders überraschend/aufregend?

Ich beschäftige mich wissenschaftlich mit dem politischen Umgang mit Diversität. Dahinter steht auch die persönliche Motivation, mich für mehr Inklusion in der vielfältigen Gesellschaft, die mich umgibt, einzusetzen. Während meines Forschungsaufenthaltes in Toronto habe ich ein Stadt, eine Universität und viele Menschen kennengelernt, die einen für mich erstaunlich bewussten Zugang zu dieser Diversität haben. An den verschiedensten Orten wird spürbar, dass eine inklusive Gesellschaft gewünscht und durch wissenschaftliche Arbeit, durch universitäre Kultur aber eben auch durch den alltäglichen Umgang miteinander befördert wird. Vielfältigkeit ist sehr positiv besetzt, was auch im öffentlichen Raum häufig spürbar ist. Das in verschiedensten Sprachen plakatierte Motto der Stadt „Welcome to Toronto – We’ve been expecting you“ ist dafür nur ein Beispiel. Das hat mich tief beeindruckt.

  • Haben Sie Tipps für andere DoktorandInnen für die Planung und Durchführung eines Auslandsaufenthaltes?

Gerade wenn sich ein Forschungsgegenstand in der Nähe befindet, lohnt es sich, den Standpunkt zu wechseln und ihn aus der Ferne zu betrachten! Während sich ein Auslandsaufenthalt für FeldforscherInnen oft gar nicht vermeiden lässt, ist dies bei anderen Fragestellungen nicht Grundbedingung für die Durchführbarkeit der Dissertation. Trotzdem würde ich allen DoktorandInnen raten, sich um einen Auslandsaufenthalt zu bemühen. Allein ein anderes universitäres Umfeld, andere wissenschaftliche Zugänge und die Distanz zum eigenen Forschungsalltag geben so viele neue Inputs, Ideen und Motivation, dass sich diese Reise bezahlt macht. Wenn, wie in meinem Fall, noch die Möglichkeit besteht, mit einer/m namhaften ForscherIn zusammenzuarbeiten kann ein Auslandsaufenthalt die eigene Arbeit nochmals deutlich aufwerten.

Fazit: unbedingt versuchen! Zum Abschluss ein praktischer Tipp: Einheimische MitbewohnerInnen sind Goldes wert! Bei vielem, das man sich sonst mühsam zusammensuchen muss, können nette MitbewohnerInnen ganz einfach helfen. Ich hatte hier großes Glück!

Bunt ist nicht nur der Schriftzug vor dem futuristischen Bau des neuen Rathauses von Toronto.

Im öffentlichen Raum wird spürbar, dass Vielfalt sehr positiv besetzt ist (Fotos: A. Mattes)