- Warum haben Sie sich für einen Auslandsaufenthalt in New Orleans entschlossen? Inwiefern war dieser für Ihre Forschung wichtig?
In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit der Frage, wie verschiedene Elemente der immateriellen Kultur in Tourismusprodukte verwandelt werden und welchen Einfluss dies auf die kulturellen Akteure hat. Als Fallbeispiel analysiere ich diese Situation in New Orleans, weil besonders dort die Sektoren von Tourismus- und Kulturwirtschaft systematisch zur Kommodifizierung von Elementen der lokalen Kultur beitragen und diese für den Konsum von TouristInnen als 'show' und 'entertainment' reproduzieren. Daraus resultieren jedoch auch soziale Konflikte um die Frage, wie und inwiefern lokale Kultur vermarktet werden soll. Die Beschreibung und Analyse dieser Konflikte bilden den Schwerpunkt meiner Arbeit. Methodisch stützt sich meine Dissertation auf qualitative Interviews und teilnehmende Beobachtung. Dafür habe ich in den Jahren 2012 und 2013 jeweils mehrere Monate in New Orleans verbracht.
- Was ist Ihnen von Ihrer Zeit in New Orleans besonders in Erinnerung geblieben? Was war besonders überraschend/aufregend?
Meine InterviewpartnerInnen waren an dem Thema meiner Forschung äußerst interessiert. Mit vielen hat sich eine sehr enge und angenehme Kollaboration ergeben, welche oft auch in persönliche Freundschaften übergegangen ist. Dadurch konnte ich für meine Analyse sehr wichtige Einblicke in die unterschiedlichen Rollen der kulturellen Akteure und die erwähnten sozialen Konflikte bekommen. Besonders die Interviews und Treffen mit ‚Mardi Gras Indians‘ und die Beobachtung von den vielen tanz- und musikorientierten Straßenparaden kultureller Clubs der Afro-Amerikanischen Bevölkerung (sogenannte 'second lines') waren eine große Bereicherung für meine Forschung. ‚Mardi Gras Indians‘ sind organisiert in selbsternannten urbanen Stämmen, sie sind zum Teil Nachfahren der 'native American Indians' aus Louisiana und führen deren kulturelle Aktivitäten fort. Dies sind vor allem 'Super Sunday Parades', bei denen die ‚Mardi Gras Indians‘ mit eigens genähten, künstlerisch hochwertigen und äußerst aufwendigen Kostümen (mit Federschmuck, Perlen, Pailletten, bunten Steinen, etc.) zu Trommelrhythmus in den Straßen ihrer 'neighbourhoods' promenieren, tanzen, und sich symbolisch bekriegen. Zusätzlich habe ich durch meine künstlerische Aktivität als aktiver Musiker am kulturellen Geschehen der Stadt teilgenommen. Die daraus resultierenden Kontakte zu MusikerInnen, KünstlerInnen, Hotel- und BarbesitzerInnen waren ebenfalls von Bedeutung für meine Forschung.
- Haben Sie Tipps für andere DoktorandInnen für die Planung und Durchführung eines Auslandsaufenthaltes?
Neben der wissenschaftlichen Durchführbarkeit sollte auf jeden Fall auch die finanzielle Machbarkeit vor dem Beginn der Forschungsreise berücksichtigt werden. Der zusätzliche Arbeitsaufwand für die Vorbereitung und die Organisation vor Ort sollten auf keinen Fall unterschätzt werden und im gesamten Zeitplan mit eingerechnet werden. Kontakte zu forschungsrelevanten Institutionen (universitätsnahe Forschungseinrichtungen, Bibliotheken, Archive) und Personen (ProfessorInnen, InterviewpartnerInnen etc.) sollten möglichst schon vor Abreise hergestellt werden. Denn bereits etablierte Kontakte vor Ort erleichtern die Orientierung im jeweiligen Zielland erheblich.
Bernhard Bauer studierte Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und hat im Zuge seiner Dissertation mit dem Titel "Commodification of Living Cultural Heritage in New Orleans. An Anthropological Case Study" längere Feldforschungen in New Orleans durchgeführt.