- Warum haben Sie sich für einen Auslandsaufenthalt in Deutschland entschlossen? Inwiefern war dieser für Ihre Forschung wichtig?
In meiner Dissertation arbeite ich zu Veränderungen und Kontinuitäten privater Fotografie aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Besonders interessieren mich dabei mediale Einbettungen und visuelle Konventionen. Ich forsche mit rekonstruktiven, qualitativen Verfahren - bei dieser Art und Weise zu Forschen ist das Diskutieren und Weiterentwickeln von Interpretationen und Generieren von Thesen in einer Forschungswerkstatt sehr wichtig. Ich hatte die Gelegenheit an der Freien Universität Berlin an der Forschungswerkstatt des Begründers der rekonstruktiven Sozialforschung, Prof. Ralf Bohnsack, teilzunehmen. Gemeinsam mit anderen DoktorandInnen und auch HabilitandInnen werden in der Forschungswerkstatt Interpretationen auf sehr hohem Niveau diskutiert und weiterentwickelt, was mir bei der Zuspitzung meiner empirischen Arbeit sehr geholfen hat. Ich war für das Semester außerdem gleichzeitig als Gast-Doktorandin am Graduiertenkolleg „Sichtbarkeit und Sichtbarmachung“ der Universität Potsdam zu Gast, gemeinsam mit zwei Wiener Kolleginnen meine DOC-teams (http://bildpraktiken.wordpress.com). Dort haben wir gemeinsam mit den StipendiatInnen des Kollegs an Kolloquien, Workshops und Vortragsreihen teilgenommen.
- Was ist Ihnen von Ihrer Zeit in Deutschland besonders in Erinnerung geblieben? Was war besonders überraschend/aufregend?
Das System Graduiertenkolleg hat mich sehr beeindruckt, ich denke es ist ein tolles Format wenn sich DoktorandInnen aller möglicher Disziplinen zu einem spezifischen Thema auseinandersetzen, da geht es in Diskussionen schon oft heiß her und es muss sehr viel Übersetzungsarbeit geleistet werden, weil man meistens doch die disziplinäre Brille schwer absetzen kann. Berlin und Potsdam bieten gerade für Forschende in den Bereichen Medien- und Bildwissenschaften ein tolles Umfeld, es gibt spannende Vortragsreihen, unglaublich viele Veranstaltungen und zahlreiche Möglichkeiten zum Netzwerken an vielen Universitäten (besonders am „Interdisziplinären Labor Bild-Wissen-Gestaltung“ der Humboldt-Universität) und Institutionen (zB. ICI Berlin). Im Gegensatz zu Wien ist das Tempo höher und leistungsorientierter, man orientiert sich stark international und aber auch gerne mal avantgardistisch - das war für mich sehr inspirierend und bereichernd. Ich habe alles wie ein Schwamm aufgesaugt und brauchte dann erstmal Zeit diese Eindrücke und Inputs alle zu verarbeiten und zu sortieren, was für mich jetzt im Kern relevant ist.
- Haben Sie Tipps für andere DoktorandInnen für die Planung und Durchführung eines Auslandsaufenthaltes?
Genug Zeit für das Verdauen und Systematisieren der Eindrücke einzuplanen ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Und die richtige Balance zwischen strenger Planung und flexibel bleiben zu finden ist sicher etwas, was man im Auge behalten sollte. Wichtig ist es außerdem, persönliche Kontakte bereits vorher zu etablieren damit man auch weiß, wer einen dort erwartet und wieviel Zeit und Unterstützung man sich erwarten kann. Und neue Kontakte im Nachhinein zu pflegen und gemeinsam konkrete Projekte zu verfolgen ist in Zeiten von Academia.edu, Facebook und Skype wirklich nicht schwer.
- Maria Schreiber studierte Publizistik und Soziologie in Wien und ist nun Doktorandin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und DOC-team Stipendiatin der ÖAW. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit generationsspezifischen fotografischen Bildpraktiken im Kontext des aktuellen Medienwandels.